Agri-PV

Die Zukunft der Solarenergie heißt Agri-PV

Agri-Photovoltaik (Agri-PV) bezeichnet die Kombination von Photovoltaikanlagen und landwirtschaftlicher Nutzung auf der gleichen. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) geht davon aus, dass in Deutschland ein Potenzial von 1.700 GWp besteht. Demnach würden 4% der deutschen Agrarflächen ausreichen, um mit hoch aufgeständterten Agri-PV-Anlagen den gesamten Strombedarf Deutschlands zu decken (Fraunhofer ISE: „Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende“, April 2022).

Angesichts der Anforderungen der Energiewende werden aktuell die gesetzgeberischen Weichen gestellt, damit die Agri-Photovoltaik ihr Potenzial ausschöpfen kann. Insbesondere die geplante Reform des EEG (EEG 2023) soll einen entscheidenden Schub für die Etablierung von Agri-PV-Anlagen bringen.

Agri-PV-Anlagen im Bauplanungsrecht

Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind in aller Regel genehmigungspflichtige Vorhaben. So sind in Baden-Württemberg gebäudeunabhängige Solaranlagen nur bis zu einer Höhe von drei Metern und einer Gesamtlänge bis zu neun Metern genehmigungsfrei (Anhang zu § 50 Abs.1 Nr.3c LBO Baden Württemberg). Vergleichbare Regelungen gelten in anderen Bundesländern.

Eine Baugenehmigung wird nur erteilt, wenn das Vorhaben den Festsetzungen eines Babauungsplans oder – außerhalb eines Bebauungsplans – den Vorgaben gemäß §§ 34ff BauGB entspricht.

Unbeplanter Außenbereich

Im Regelfall wird sich die Fläche, auf der die Agri-Photovoltaikanlage errichtet werden soll, im Außenbereich befinden, d. h. es liegt kein Bebauungsplan für die Fläche vor.

Soweit für Agri-Photovoltaikanlagen relevant, lautet § 35 Abs.1 BauGB:
„Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
1. einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2. einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3. der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
(…)
8. der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient

a) in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder

b) auf einer Fläche längs von

aa) Autobahnen oder

bb) Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen

und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn.“


Die spezifisch auf die Solarenergie zugeschnittene Ziff.8 ist für Gebäude-Photovoltaikanlagen relevant sowie für PV-Anlagen entlang von Autobahnen oder Schienen.

Agri-PV-Anlagen für Freiflächen könnten jedoch nach den Ziff. 1 – 3. zulässig sein.

§ 35 Abs.1 Nr.1 und 2 BauGB setzen voraus, dass das Vorhaben dem land- oder forstwirtschaftlichen bzw. gartenbaulichen Betrieb dient. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsreichts ist erforderlich, dass ein vernünftiger Landwirt das Bauvorhaben in seiner konkreten Ausgestaltung ebenfalls errichten würde. Für Windenergieanlagen wird vertreten, dass es darauf ankommt, wofür der Strom genutzt wird. Ist der landwirtschaftliche Betrieb Hauptabnehmer des Stroms, so spreche dies dafür, dass die Anlage dem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Wird umgekehrt der Strom im Wesentlichen in das öffentliche Netz eingespeist, so spreche dies dagegen.

Wird man diese Betrachtung auf Agri-Photovoltaikanlagen anwenden, so wird das Ergebnis sein, dass die allermeisten Anlagen nicht durch § 35 Abs.1 Nr.1 und 2 BauGB privilegiert sind, denn der Strom aus der Agri-PV-Anlage wird im Regelfalle zumindest in überwiegendem Umfang in das Netz eingespeist. Noch weitegehend offen ist allerdings die Frage, inwieweit bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen ist, dass die Agri-PV-Anlagen – anders als Windenergieanlagen oder herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen – dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, indem sie die Pflanzen vor Sonne, Wind und Niederschlägen schützen. Es erscheint zumindest denkbar, dass diese Argumentation bei zukünftigen Entscheidungen im Rahmen des § 35 Abs.1 Nr.1 und 2 BauGB Berücksichtigung finden müssen. Eine Rechtsprechung, auf die sich Anlagen-Projektierer berufen können, ist jedoch noch nicht vorhanden.

Hinzu kommt, dass Agri-PV-Anlagen auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen lediglich einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen darf (§ 35 Abs.1 Nr.1 BauGB).

§ 35 Abs.1 Nr.3 BauGB ist auf Freiflächen-PV-Anlagen regelmäßig nicht anwendbar, weil die Regelung – anders als der Wortlaut vermuten lässt – auch bei Energieerzeugungsanlagen erfordert, dass die Anlage ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden kann. Dies wird auch bei Agri-PV-Anlagen kaum vertreten werden können (vgl. zu herkömmlichen Freiflächenanlagen OLG Dresden vom 05.03.2015, 1 U 635/13).


Nach § 35 Abs.2 BauGB können im Einzelfall Vorhaben zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Bisher gab es bei Freiflächen-Photovoltaikanlagen hier kaum Argumentationsmöglichkeiten, da die Rechtsprechung davon ausging, dass zumindest die naturgegebene Bodennutzung und die Erholungsfunktion der Landschaft beeinträchtigt werden (OLG Dresden vom 05.03.2015, 1 U 635/13).

Ob dieser Einwand bei Agri-Photovoltaikanlagen vollumfänglich aufrechterhalten werden kann, ist aus zwei Gründen fraglich: Zum einen soll nach dem Entwurf des Erneuerbares-Energien-Gesetzes vom 07.04.2022 ein neuer § 2 in das EEG eingeführt werden, der für die Errichtung und Betrieb von regenerativen Energieerzeugungsanlagen ein überragendes öffentliches Interesse anerkennt, bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist. Dies bedeutet, dass bei Abwägungsprozessen andere Aspekte, wie z.B. die Erholungsfunktion der Landschaft zukünftig weniger stark gewichtet werden dürfen. Zum anderen dienen Agri-Photovoltaikanlagen gerade auch den Gütern, die durch § 35 BauGB geschützt werden: Sie ermöglichen eine naturnahe Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen, indem sie die Bepflanzung vor schädlichen Witterungseinflüssen schützen.


Beplanter Außenbereich

Agri-Photovoltaikanlagen können in Gebieten realisiert werden, für die ein Bebauungsplan aufgestellt wurde. Das Baugesetzbuch (BauGB) unterscheidet dabei verschiedene Flächenkategorien. Freiflächen-PV-Anlagen werden in der Regel in Gebieten gebaut, die als Versorgungsflächen für Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung ausgewiesen sind (§ 9 Abs.1 Nr.12 BauGB). Es ist rechtlich zulässig, dieselbe Fläche als Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung (§ 9 Abs.1 Nr.18a BauGB) auszuweisen. Am praktikabelsten erscheint die Lösung, einen Bebauungsplan gemäß § 11 Abs.2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) für ein sonstiges Sondergebiet „Agri-PV-Anlage“ auszuweisen. § 11 Abs.2 BauNVO erstreckt sich ausdrücklich auf „Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen“.

Oft wird bei der Planung von PV-Freiflächenanlagen auf die Möglichkeiten des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 12 BauGB) zurückgegriffen. Dabei wird der Aufwand und die Verfahrensabwicklung dem Projektplaner überantwortet. Der Bebauungsplan kann auf diese Weise zielgenau auf die PV-Anlage zugeschnitten werden. Auf dieses Instrument könnte auch bei Agri-PV-Anlagen zurückgegriffen werden.

Bebauungspläne müssen aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden (§ 8 Abs.2 BauGB). Weist der Flächennutzungsplan für das betroffene Grundstück eine landwirtschaftliche Nutzung aus, so kann dies einem Sondergebiet „Agri-Photovoltaik“ im Bebauungsplan entgegenstehen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob die Gemeinde ein „Freihalteinteresse“ im Hinblick auf PV-Freiflächenanlagen zum Ausdruck gebracht hat. Nach § 8 Abs.3 BauGB kann der Flächennutzungsplan in einem Parallelverfahren im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplans geändert werden.

Darüber hinaus muss der Bebauungsplan auch den Zielen der Raumordnung entsprechen (§ 1 Abs.4 BauGB). Die Ziele der Raumordnung können im schlechtesten Fall eine Freiflächen-PV-Anlage ausschließen. Dies ist z.B. der Fall, wenn wenn regionale Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege oder Grünzüge und -zäsuren in der Raumplanung vorgesehen sind. Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens zu klären, ob eine Abweichung von den Zielen der Raumplanung zulässig ist.

Ob eine Agri-Photovoltaikanlage dem Raumplanungsziel einer vorrangigen landwirtschaftlichen Nutzung entgegensteht, muss im Einzelfall entschieden werden. Allerdings muss hier beachtet werden, dass die Agri-Photovoltaik eine landwirtschaftliche Nutzung nicht nur ermöglicht, sondern auch fördert, indem die Pflanzen durch die Solarmodule gegen Witterungseinflüsse geschützt werden. Der Gemeinde wird hier die Möglichkeit zugestanden werden müssen, die landwirtschaftliche Nutzung zu konkretisieren. Die Argumentation gegenüber der Gemeinde kann erleichtert werden, wenn die Vorgaben der DIN SPEC 91434 (hierzu mehr unter Ziff. 2b dieses Rechtsleitfadens) eingehalten werden und damit eine produktive Symbiose von Landwirtschaft und Photovoltaik sichergestellt wird.

In der Regel wird auch für Agri-Photovoltaikanlagen die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans die schnellste und rechtssicherste Option zur Realisierung des Vorhabens sein. Im R ahmen des Aufstellungsverfahrens müssen die Vorgaben des Flächennutzunsplans und der Raumordnung beachtet werden. Anders als bei herkömmlichen Freiflächenanlagen bietet sich jedoch bei Agri-PV-Anlagen der Vorteil, dass eine Ausweisung von landwirtschaftlichen Flächen der Realisierung einer solchen Anlage nicht unbedingt entgegenstehen müssen.



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